Turfanbroschüre

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Beitrag über das Akademienvorhaben "Turfanforschung"
im Jahresmagazin
"Die Akademie am Gendarmenmarkt 2010/11"

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Die Turfanbroschüre im pdf-Format

 

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"Turfanforschung" ist die wissenschaftliche Edition und Interpretation von Kunstwerken und Textzeugnissen, die in der Oase von Turfan in Ostturkistan (Xinjiang) und Umgebung gefunden wurden und die die Kulturen der antiken Seidenstraßen vielfältig bezeugen. Die Arbeit an den Textzeugnissen ist Aufgabe der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Im Jahre 2002 beging die Berliner Akademie zusammen mit dem Museum für Indische Kunst und der Staatsbibliothek zu Berlin, beide Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den einhundertsten Jahrestag des Beginns der ersten (der insgesamt vier) Deutschen Turfanexpeditionen. Diese Expeditionen führten dazu, daß der größte Teil der Turfanschätze nach Berlin gelangte. Daß hundert Jahre nach dem Eintreffen der ersten Turfandokumente in Berlin immer noch ein großer Teil der philologischen Arbeit an den Texten zu bewältigen ist, hat im Charakter der Sammlung seinen Grund, in der Fremdheit vieler der in ihr vertretenen Sprachen, der Unbekanntheit vieler Wörter, der Unvertrautheit mancher ihrer Inhalte und dem schlechten Erhaltungszustand der Texte. Um so größer war und bleibt der wissenschaftliche Gewinn ihrer Erschließung für die Orientalistik, die vergleichende Religions-, Literatur- und Sprachwissenschaft.

 

Turfan, eine Oase in Ostturkistan

Expeditionen

Form und Inhalt der Texte

Schriften und Sprachen der Texte


Arbeit des AV Turfanforschung

Die alttürkischen Texte

Edition der alttürkischen Texte

Die mitteliranischen Texte

Edition der iranischen Turfantexte


Katalogisierung

Die Katalogisierung der Texte


Digitalisierung

Die Datenbank für die Verwaltung der Handschriftenfragmente

Digitales Turfan-Archiv


Digitale Texteditionen

a) VATEC-Projekt

b) MIRTEXT

c) TITUS

Collegium Turfanicum

 

 

Turfan, eine Oase in Ostturkistan

 

Seit dem 2. Jh. v. Chr. war für nahezu zwei Jahrtausende, vor allem aber für die Zeit bis zum Ende der mongolischen Herrschaft im 14. Jh., Ostturkistan, das heutige Xinjiang, das Land der Vermittlung von Ost und West. Eine Vermittlung, deren Möglichkeit im Widerspruch zu stehen schien zu den schroffen Voraussetzungen seiner Natur. In seinem Inneren breitet sich die Taklamakan aus, die größte Wüste Zentralasiens. Und als gälte es, deren Unwirtlichkeit zu schützen, wird sie umlagert von monumentalen Gebirgszügen: dem Pamir im Westen, dem Tianshan im Norden, dem Kunlun im Süden. Tatsächlich aber bildeten diese Gebirge die Grundlage des Lebens und der Zivilisation. Das aus ihnen durch unterirdische Kanäle bezogene Wasser ließ fruchtbare Oasen entstehen, die miteinander durch ein Wegenetz, die seit F. v. Richthofen 1877 so benannten »Seidenstraßen«, verbunden waren. Nicht nur waren es die wertvollen Handelsgüter wie die Seide, die auf ihnen bewegt und ausgetauscht wurden; sie förderten in hohem Maß auch den geistigen und religiösen Austausch. Die Oasen wiederum wurden für vertriebene religiöse Gruppen wie die Manichäer zu Refugien.

 

Eine von ihnen ist die Turfanoase, benannt nach der schon in alten zentralasiatischen Quellen erwähnten Stadt Turfan (Tu-lu-fan, Turpan usw.). Zu ihr gehören u. a. die Ruinenstadt Idikutšähri, die ehemalige Hauptstadt des Gaochang-Reichs und des Westuigurischen Königreichs (in den alttürkischen Texten als Qočo bezeichnet), wie auch die Höhlentempel von Bäzäklik und Sängim. Da die von den Zentralasienfunden russischer Archäologen und Diplomaten angeregten deutschen Expeditionen vornehmlich in dieses Oasengebiet führten, wurde später der Name »Turfan« zum Symbol der Wissenschaften, die sich mit der - zu einem Großteil textlichen - Hinterlassenschaft jener einst in den Oasen blühenden, heute meist vergessenen Kulturen beschäftigen. Diese Wissenschaften reichen von der Zentralasiatischen Kunstgeschichte bis zur Indogermanistik, Sinologie, Indologie, Tibetologie, Mongolistik sowie Iranistik und Turkologie, zwei Disziplinen, die durch die Funde um neue Bereiche erweitert wurden und so ein neues Profil erhielten.

 

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Ostturkistan. Textfundstätten (Karte oben links: Verlauf der Seidenstraßen)

 

Expeditionen

Einer Strafverfolgung ist es zu danken, daß zum naturwissenschaftlichen Interesse des 19. Jh. (darunter das Alexander von Humboldts) an der zentralasiatischen Region mit der Turfansenke, der tiefsten Depression der Welt, eines der Archäologie, der Philologie und anderer Disziplinen hinzukam. 1889 ausgesandt von der englischen Kolonialregierung zur Aufklärung des Mords an einem schottischen Reisenden in der Nähe von Kuča, fielen dem Lieutenant Bower Dokumente in die Hände, deren Spur zu einem ganz anderen Geheimnis führte. Es waren in Brāhmī-Schrift geschriebene Sanskrit-Texte. Ihnen gesellten sich andere vereinzelte Schriftstücke zu, und zusammen mit den nur unbeträchtlich älteren Beobachtungen forschungsreisender Geographen (S. Hedin, A. Regel) über Ruinenstätten in Ostturkistan gelangte ihre Kunde nach Westen und Osten. Wie im Wettlauf strebten seit 1899 aus Europa und Japan archäologische Expeditionen nach Zentralasien, die zwischen Kašghar und Dunhuang ans Werk gingen.

Auch das Berliner Museum für Völkerkunde unternahm unter seinem Direktor A. Grünwedel oder A. v. Le Coq zwischen 1902 und 1914 insgesamt vier Expeditionen, von denen drei unter der Schirmherrschaft des Kaisers standen.
 

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Die vereinigte zweite und dritte deutsche Expedition. Mittelreihe von rechts nach links:
v. Le Coq, Grünwedel, Bartus, Pohrt.

 

Die deutschen Turfan-Expeditionen


1. Expedition. Leiter: Prof. A. Grünwedel; Teilnehmer: Dr. G. Huth, Th. Bartus. Route: Kulja-Urumči-Turfanoase (Qočo, Bäzäklik, Sängim, Toyuq Nov. 1902 - März 1903 [Gemälde, Statuen, mir./uig./np. Manuskripte der Manichäer in man./uig./Runenschrift, ind./chin./tang. Texte]) - nördl. Seidenstraße (Toqsun-Qarašahr-Kuča-Ruinen bei Qumtura [Gemälde] - Qïzïl-Aqsu-Tumšuq-Maralbaši-Kašghar). 46 Kisten von Fundstücken.

2. Expedition. Leiter: Dr. A. v. Le Coq; Teilnehmer: Th. Bartus. Route: Urumči -Turfanoase (Qočo und umliegende Stätten, Yar-Khoto Nov.1904-Aug.1905; Hami Aug. 1905; Turfan) - nördl. Seidenstraße-Kašghar (Okt. 1905; dort Vereinigung im Dez. mit 3. Expedition). 103 Kisten, hauptsächlich Gemälde (Bäzäklik), weniger Texte (christl. Texte in syr., sogd., mp., uig.; buddh. Texte).

3. Expedition (bis Juni 1906 mit 2. Exp. vereinigt). Leiter: Prof. A. Grünwedel; Teilnehmer: Dr. A. v. LeCoq, H. Pohrt, Th. Bartus. Route: Kašghar-Tumšuq (Jan. 1906)-Qïzïl-Kuča-Qumtura (Febr. 1906, Grottentempel [Gemälde])-Grottentempel von Qïzïl, Kiriš (Febr.-Mai 1906 [Gemälde]), Qorla/Tempelanlage und Höhlen von Šorčuq [Gemälde, buddh. Texte]-Turfanoase (Juli 1906)-Urumči-Hami-Toyuq (Jan. 1907)-Šorčuk (Febr./März 1907)-Turfan, Rückreise über Urumči (April 1907). 118 Kisten von Fundstücken.

4. Expedition. Leiter: Dr. A. v. Le Coq; Teilnehmer: Th. Bartus. Route: Kašghar-Kuča, Qïzïl (Juni-Sept. 1913)-Kiriš, Simsim-Qumtura (Nov. 1913)-Tumšuq (Dez. 1913-Jan. 1914)- Kašghar. 156 Kisten von je 75-80 Kilo (insbesondere sakische und Sanskrittexte aus Tumšuq).

 

Die Ergebnisse dieser Expeditionen waren überwältigend. Sie brachten Tausende Reste von Malereien und anderen Kunstobjekten sowie ca. 40.000 Textfragmente in mehr als 20 verschiedenen Sprachen und Schriften (s. Grafik Schriften/Sprachen) nach Berlin. Gleich nach ihrer Ankunft wurden die in Päckchen verschnürten Fragmente ausgepackt und zwischen Glasplatten gelegt, die mit einem schwarzen Spezialband verschlossen wurden. Diese Methode erlaubte einen für die Fragmente gefahrlosen Umgang.

 

A. v. Le Coq, Auf Hellas Spuren in Ostturkistan, S. 44:

Unsere Expeditionen sind zu spät nach Chotscho gelangt; wären sie früher gekommen, so hätten sicherlich mehr dieser merkwürdigen, sassanidisch-hellenistischen Malereien geborgen werden können. Aber auch von der für die Religions- und Sprachgeschichte gleich wichtigen Literatur der Religionsgemeinschaft wäre sehr viel mehr gerettet worden: einer der Bauern sagte mir, fünf Jahre vor dem Kommen der ersten Expedition habe er in einem der zur Anlage von Feldern niedergelegten Tempel fünf große Karren (araba) voll der von uns so gesuchten Handschriften mit der »kleinen Schrift«, nämlich der manichäischen, gefunden. Viele seien mit Bildern in Farben und Gold verziert gewesen. Er fürchtete aber, einmal, den unheiligen Charakter der Schriften, und zweitens, daß die Chinesen den Fund als Vorwand zu Erpressungen benutzen könnten und warf kurzerhand die ganze Bibliothek in den Strom!

 

Durch einen Beschluß des zuständigen Unterrichtsministeriums von 1914 gelangten alle bis auf die für die Ausstellung im Museum benötigten Texte in die damalige Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zur Bearbeitung. Zwei Jahre zuvor, am 5. Mai 1912, war die »Orientalische Kommission« an der Akademie der Wissenschaften gegründet worden. Ihre Aufgabe war es, die wissenschaftliche Erschließung deutscher Ausgrabungsergebnisse aus dem Orient zu koordinieren und zu befördern.

Unter der Verantwortung der Orientalischen Kommission konnten auch die Turfantexte nun durch namhafte Vertreter der verschiedensten orientalistischen Disziplinen erschlossen werden. Die Kommission war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs tätig. Während des Kriegs mußten die Turfanfragmente ausgelagert werden. Sie befanden sich z. B. in ehemaligen Salzminen in Winthershall, Solvayhall und Schönebeck/Elbe.

Nach dem Krieg wurden die zum größten Teil wohlbehaltenen Fragmente an die 1946 neu begründete Deutsche Akademie der Wissenschaften zurückgegeben. Ein kleinerer Teil gelangte jedoch an die Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur. Einige iranische Fragmente wurden in das Orientalische Seminar der Universität Hamburg gegeben. Andere Fragmente, überwiegend von Sanskrit-Texten, wurden nach Göttingen geschickt.

1956 kamen die iranischen Texte aus Hamburg nach Mainz. Nach der Gründung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Marburg gelangten alle Fragmente aus Mainz nach Marburg. Von dort zogen sie mit der Staatsbibliothek in den Neubau am Potsdamer Platz in Berlin.

Seit 1992 sind alle Teile der Sammlung als Eigentum der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Nachfolgerin der Preußischen Akademie der Wissenschaften, wieder vereint. Doch befinden sich nur die zur Bearbeitung benötigten Texte im Gebäude der BBAW (ca. 13.000 iranische und alttürkische Fragmente). Die anderen Fragmente werden in der Orientabteilung der Staatsbibliothek, die die kuratorische Verwaltung der gesamten Sammlung übernommen hat, aufbewahrt. Die in Turfan geborgenen Kunstschätze und illuminierten Handschriften sind heute im Museum für Indische Kunst zu bewundern.

Entsprechend der Teilung der Sammlung in der Folge des Zweiten Weltkriegs verlief auch die Bearbeitung der Fragmente unter erschwerten Bedingungen. 1947 wurde das Institut für Orientforschung an der Deutschen Akademie der Wissenschaften gegründet, wo die Turfansammlung ihre neue Heimat fand. An den Turfantexten forschten weiterhin Wissenschaftler aus ganz Deutschland. Mit dem Bau der Berliner Mauer waren die Gegebenheiten für die Arbeiten an den Texten im jeweils anderen Teil Deutschlands wesentlich schwieriger und zum Teil unmöglich geworden. Dennoch gab es eine fruchtbare Zusammenarbeit der Fachkollegen. 1965 gründeten Wolfgang Steinitz und Georg Hazai die Turfanforschungsgruppe im Institut für Orientforschung. Von 1969 bis 1991 war die Bearbeitung der Turfantexte verankert im Bereich »Alter Orient« des Zentralinstituts für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Seit 1992 konzentriert sich die Arbeit des Akademienvorhabens »Turfanforschung« an der BBAW auf die Edition der iranischen und alttürkischen Fragmente. Kataloge der Fragmente dieser Textgruppen werden im Rahmen des Akademienvorhabens »Katalogisierung der Orientalischen Handschriften in Deutschland«, das an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen beheimatet ist, erarbeitet.

Die Berliner Sammlung ist, was das Textmaterial aus den Oasen an den nördlichen Seidenstraßen betrifft, die reichste und bedeutendste der Welt. Sie bewahrt die größte Menge von manichäischen Originaltexten aus Zentralasien auf. Einmalige Schätze sind auch die christlichen Textfragmente in sogdischer Sprache, einzelne Bruchstücke in baktrischer Sprache und in alttürkischer Runenschrift.

Das Alter der Bruchstücke ist ganz unterschiedlich. Die ältesten, Reste indischer Dramen, stammen aus dem 4. Jh. n. Chr. Damit verschob sich die Datierung der Entstehung des indischen Dramas. Die ältesten Fragmente der chinesischen Sammlung stammen aus dem 4.- 5. Jh. Die iranischen Fragmente werden in die Zeit vom 8. bis zum 11. Jh. datiert. Die Mehrzahl der alttürkischen Fragmente stammen aus dem 9.- 14. Jh.

Funde aus den Stätten der südlichen Seidenstraßen, aus Turfan, vor allem aber aus Dunhuang befinden sich im British Museum und in der British Library in London, in der Bibliothèque Nationale in Paris, in der Ermitage sowie im Orient-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, in der Ryūkoku-Universität in Kyoto und in anderen Sammlungen.

Die jahrzehntelange wissenschaftliche Zusammenarbeit führt nicht allein zu einem Erkenntnisaustausch, sondern sie ermöglicht ganz materiale Arbeitsfortschritte wie die Zusammenfügung von Fragmenten, die durch Fundumstände in verschiedene Sammlungen geraten sind.

 

Form und Inhalt der Texte

Die Fragmente zeugen von den unterschiedlichsten Buchformen. Sie reichen von den uns vertrauten Codices für manichäische und christliche Bücher bis zu den bei den Chinesen üblichen Buchrollen. Eine weite Verbreitung fand mit dem Buddhismus die von Indien ausgehende Form von Büchern, die aus übereinandergelegten Palmblättern bestanden (pustaka). Diese Pustakas sind in der Regel rechteckig (Breite : Höhe = 3 : 1), mit einem Schnürloch im ersten Drittel des Blattes. Für die seit dem 9. Jh. gedruckten Bücher kristallisierte sich bei den Uiguren als beliebteste Form das »Akkordeonbuch« (Leporello) heraus. Die gedruckten Werke nehmen einen kleinen, aber durchaus wichtigen Anteil unter den Turfaner Papieren ein. Sie wurden nicht mit Lettern, sondern mit geschnitzten Holzblöcken hergestellt, mit denen jeweils eine ganze Seite gedruckt wurde. Diese sogenannten »Blockdrucke« stammen wohl meist aus chinesischen Werkstätten, sind aber aus zahlreichen Fundorten in der Turfanoase erhalten. Sie erstrecken sich auf chinesische, tangutische, mongolische, tibetische, alttürkische und Sanskrit-Texte und sind meist in das 13./14. Jh. datierbar. Abgesehen von einigen gedruckten Kalendern handelt es sich bei ihnen vor allem um buddhistische Werke, da es bei den Buddhisten ein religiöses Verdienst war, Texte zu vervielfältigen. Bei den türkischen Texten gibt es infolgedessen neben handschriftlichen Kopien vielfach gedruckte. Auch Jātaka-Werke (Geschichten über Vorexistenzen des Buddha) sind als Blockdrucke überliefert, die im oberen Drittel der Faltbücher Illustrationen tragen. Jedoch sind auch unter den Drucken nur sehr wenige Bücher vollständig erhalten.

Neben einheimischen Papierfabrikaten ist auch besonders gutes, aus China stammendes Papier bekannt. Zu einem kleineren Teil sind die Texte auf Palmblätter, Birkenrinde, Holz, Seide, Pergament oder Stein geschrieben worden.

Es wurden vornehmlich religiöse Texte gefunden. Sie legen ein beredtes Zeugnis ab von den Glaubensgemeinschaften in den Oasen an den Seidenstraßen sowie von der Verbreitung der drei Weltreligionen Buddhismus, Manichäismus und Christentum.

 

Im Kitāb al-ḥayawān erzählt al-Ğaḥiẓ folgendes:

Ibrâhîm asSindî sagte einmal zu mir:

»Ich wünschte, die Zandîken [d. i. Manichäer] wären nicht so verpicht darauf, theures Geld auszugeben für sauberes weisses Papier und für die Anwendung von glänzend schwarzer Tinte, und dass sie nicht so hohen Werth legten auf die Schönschrift, und weniger die Schönschreiber zum Eifer anspornten; denn fürwahr, kein Papier, das ich noch sah, ist mit dem Papier ihrer Bücher zu vergleichen, und keine Schönschrift mit der, die in jenen angewandt ist. «

Da erwiderte ich dem Ibrâhîm:

»Wenn die Manichäer für die Ausstattung ihrer heiligen Schriften Aufwand machen, so ist dies dasselbe, als wenn es die Christen für die Kirchen thun«.

(K. Keßler: Mani. Forschungen über die manichäische Religion. Berlin 1889, S. 366)

 

 

Doch auch Reste literarischer Werke sowie zahlreiche profane Schriften wurden entdeckt. Wörterbuchfragmente, Listen und Grammatisches belegen die Beschäftigung mit den verschiedenen Sprachen. Gerade die Mehrzahl der religiösen Schriften sind Übersetzungen, sei es aus dem Syrischen in mitteliranische Sprachen, sei es aus dem Tocharischen ins Alttürkische oder wie im Falle der Mehrheit der buddhistischen Texte aus dem Chinesischen ins Sogdische oder Alttürkische, um nur einige Übersetzungswege zu nennen. Bruchstücke naturwissenschaftlicher Werke z. B. der Medizin oder Astronomie, aber auch Texte des täglichen Lebens und des Brauchtums wie Omina oder Traumdeutungen, Wahrsagebücher oder Kalender sind überliefert. Von großer Bedeutung sind natürlich auch die vorwiegend in Alttürkisch verfaßten wirtschaftlichen und rechtlichen Aufzeichnungen aus Klöstern und Haushalten, aus privaten und staatlichen Archiven. Auch Zollrechnungen, Abrechnungen von Fronleistungen, Wegepässe und verschiedene Listen gehören zu den erhalten gebliebenen Papieren. Dokumente über Kauf und Verkauf, Pacht und Nutzung, Sklaven und Immobilien usw. wurden verfaßt und bezeugen eine weite Verbreitung der Schriftkenntnis. Zumindest aus zahlreichen alttürkischen Urkunden geht hervor, daß oft die Veranlasser auch die Schreiber waren. Daneben gab es den Stand der Schreiber, der im wesentlichen für die weltlichen Dinge zuständig war, während in den Klöstern sehr wahrscheinlich die Mönche selbst die heiligen Schriften schrieben und kopierten. Unter der Annahme, daß von dem einstmals in den Bibliotheken und überhaupt vorhandenen Schrifttum nur ein Bruchteil erhalten ist, muß dieses immens gewesen sein. Insbesondere beim manichäischen Schrifttum muß man den Verlust bedauern. Die Manichäer waren nicht nur die Vertreter eines besonderen Religionskonstrukts, das sein Stifter als die letzte und beste aller bisherigen Lehren präsentierte, sondern sie setzten all ihre Kraft auch in dessen künstlerische Umsetzung: so schufen sie Bücher, die durch ihre Pracht und Eleganz alles bis dato Dagewesene in den Schatten stellen sollten und Späteren wohl wirklich auch als Vorbild dienten.

 

Manichäismus - ›die Lehre von den zwei Prinzipien‹

Der aus parthischem Adel stammende Mānī (216-277) gründete den Manichäismus in Mesopotamien mit dem Ziel, die anderen Religionen seiner Zeit zusammenzuführen. Auf einer judäochristlichen Grundlage, mit gnostischen, zoroastrischen und buddhistischen Elementen angereichert, entstand eine Religion mit universalistischem Anspruch, deren zentrale Lehre der Dualismus, der Kampf zwischen dem guten, lichten und dem schlechten, dunklen Prinzip war. Die Hauptaufgabe eines Manichäers bestand darin, das in der materiellen Welt gefangene Licht zu befreien und hinauf in das Licht-Paradies zu führen. Der Manichäismus verbreitete sich in sehr vielen Ländern der antiken Welt (im Westen bis Rom und Nordafrika; im Osten bis an die Ostküste Chinas). Von 762 bis 840 war er im Uigurenreich sogar Staatsreligion. Von Verfolgungen und Kriegen zurückgedrängt, verschwand der Manichäismus etwa im 14. Jh. völlig. Zeugnisse und Reste der manichäischen Literatur sind in vielen Sprachen überliefert.

 

 

Schriften und Sprachen der Texte

Die Schriften und Sprachen der Turfantexte sind erstaunlich vielfältig, doch sind die Textgruppen Sanskrit, Alttürkisch, Chinesisch, Mitteliranisch und Tocharisch die umfangreichsten.


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Schriften und Sprachen im vorislamischen Zentralasien

Nach den grundlegenden Editionen durch H. und E. Lüders sind die Sanskrit-Texte aus den Turfanfunden seit 1950 von E. Waldschmidt und seinen Schülern und Mitarbeitern zunächst bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin und seit 1965 bei der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen herausgegeben worden. Der ausführliche beschreibende Katalog der Sanskrithandschriften aus den Turfanfunden (begonnen und bis Teil 5 verfaßt von bzw. unter Leitung von E. Waldschmidt) ist Teil des Projekts »Katalogisierung der orientalischen Handschriften in Deutschland«, das seit 1990 Projekt der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen ist; zuletzt erschien Teil 9 (2004), bearbeitet von K. Wille. Außerdem erscheint seit 1973 als Projekt der Göttinger Akademie das »Sanskrit-Wörterbuch der buddhistischen Texte aus den Turfanfunden und der kanonischen Literatur der Sarvāstivāda-Schule«; mehr als die Hälfte dieses Wörterbuchs liegt bereits vor.

Hauptaufgabe der Arbeit an den chinesischen Texten, die in Kooperation mit japanischen Kollegen geschieht, ist die Identifizierung der Fragmente und ihre Katalogisierung, denn die Mehrheit der Fragmente sind Reste buddhistischer Bücher, die auch sonst gut überliefert sind.

Die tocharischen Texte wurden von E. Sieg und W. Siegling bearbeitet. Aufgrund ihrer großen Bedeutung für die Indogermanistik werden sie erneut behandelt durch Kollegen in Frankfurt a. M., Saarbrücken und Uppsala sowie auf beispielhafte Weise im Rahmen des TITUS-Projekts präsentiert.

Von den syrischen Texten liegen bisher nur Editionen einzelner Blätter vor.

Der Erschließung der mitteliranischen und alttürkischen Textfragmente widmet sich neben dem hier vorzustellenden Akademienvorhaben »Turfanforschung« der BBAW die Arbeitsstelle Berlin 2: Turfanforschung der »Katalogisierung der Orientalischen Handschriften Deutschland« (KOHD) der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Die in der bisherigen Arbeit erprobte enge Kooperation beider Akademienvorhaben ist auch zukünftig eine unabdingbare Voraussetzung für den wissenschaftlichen Erfolg.

 

Die Arbeit des Akademienvorhabens Turfanforschung

Die alttürkischen Texte

Die schon genannten Religionen waren auch bei den türkischen Völkern vertreten, insbesondere bei den Uiguren, die nach dem Zusammenbruch ihres mächtigen Steppenreichs nach 840 n. Chr. das Westuigurische Königreich mit der Hauptstadt Qočo (Gaochang) begründeten. Vor allem aus den Dörfern Bulayïq und Qurutqa in der Turfanoase kamen christliche Texte in Syrisch, Sogdisch und Türkisch ans Tageslicht. Manichäisch-türkische Texte stammen aus vielen Tempelruinen in Qočo selbst, aber auch aus anderen Orten der Oase wie Bäzäklik und Toyuq. Sie sind nicht nur in manichäischer, sondern auch in uigurischer und in der sonst nur von den Inschriften Sibiriens und der Mongolei her bekannten Runenschrift geschrieben und umfassen ein breites Spektrum der manichäischen Literatur, darüber hinaus auch Briefe, klösterliche Erlasse usw., mit denen sie uns Einblick gewähren, wie sich der Manichäismus, um mit den Worten des viel zu früh verstorbenen Betreuers des Turfanprojekts H.-J. Klimkeit zu sprechen, »in der Welt eingerichtet hatte«.

 

Alttürkisch

Nach der ersten Phase des Alttürkischen (Runen-Inschriften aus vielen Regionen Asiens von der Mongolei bis zum Karpatenbecken, etwa 6. - 10. Jh.) wird eine zweite Phase durch die vorislamischen Texte aus Turfan und Dunhuang repräsentiert. Dieses zentralasiatische Alttürkisch ist eine koineartige Literatursprache, die nach phonologischen und morphologischen Kriterien in etwa drei Dialekte gegliedert wird: Manichäisch-Türkisch, frühes buddhistisches Alttürkisch [Uigurisch-A] und buddhistisches Alttürkisch [Uigurisch].

 

Sieht man von der frühen Inschrift aus Qarabalgasun aus dem 8. Jh. ab, beschränkt sich das Schrifttum der uigurischen Manichäer zeitlich auf das 10. und 11. Jh. und räumlich auf die Turfanoase und Dunhuang, während christliche Handschriften, die vermutlich aus dem 12. und 13. Jh. stammen, an den Orten  Qočo, Bulayïq, Qurutqa und weiter östlich in Qarakhoto geborgen wurden. Für die buddhistische Literatur ergibt sich ein völlig anderes Bild. In der gesamten Periode vom 10. bis zum 14. Jh. wurden buddhistische Werke gelesen, kopiert, übersetzt und umgearbeitet. Auch die Anzahl der Fundorte ist größer als bei den anderen beiden Religionsgemeinschaften. Die Zahl der Fragmente, die den Buddhismus bei den Uiguren in all seinen Facetten beleuchten, geht in die Tausende und bildet die überwältigende Mehrheit der ca. 8000 alttürkischen Turfantexte. Wenn man bedenkt, daß dies nur ein Bruchteil dessen ist, was einst übersetzt, geschrieben und gedichtet wurde, so muß man erkennen, daß der Buddhismus in der Spätphase des Uigurischen Königreichs eine wahrhafte Blüte erlebt hat.

 

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Blockdruckblatt aus einer alttürkischen Version des Viśvantara-Jātaka. Illustrationen im uigurisch-mongolischen Stil.

 

Edition der alttürkischen Texte

1904, kurze Zeit nach der Heimkehr der ersten Turfanexpedition mit ihren überwältigenden Ergebnissen, edierte F. W. K. Müller, der amtierende Direktor des Völkerkundemuseums, einen ersten türkisch-manichäischen Text. Aus demselben Jahr stammt bereits ein erster sprachbeschreibender Versuch des Türkischen in den manichäischen Texten von K. Foy. Es blieb aber A. v. Le Coq vorbehalten, nicht nur die manichäischen Miniaturen zu bearbeiten und in einem prächtigen Bildband herauszugeben, sondern auch die manichäischen türkischen Textfragmente in drei Folgen zu bearbeiten (»Türkische Manichaica aus Chotscho«, I-III [1911-1922]). W. Bang reedierte sie zwischen 1923 und 1926 ebenso wie 1930, in Zusammenarbeit mit seiner Schülerin A. v. Gabain, Teile des schwierigen »Großen Hymnus an Mani den Vater«, zu dem Le Coq keine Übersetzung gewagt hatte (die Arbeit daran setzten A. v. Gabain mit W. Winter 1958 [TT IX] sowie L. V. Clark 1982 fort). Die Arbeit an den manichäischen Texten fand seit Ende der 60er Jahre eine Weiterführung, als P. Zieme eine Reihe von Fragmenten publizierte, vor allem in BTT V.

 

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F. W. K. Müller (1863 - 1930)

 

Dem christlichen, hauptsächlich aber buddhistischen türkischen Schrifttum wandte sich F. W. K. Müller mit seiner 1908 begonnenen Reihe »Uigurica« zu, deren 4. Folge 1931 von A. v. Gabain aus dem Nachlaß herausgegeben wurde. Danach begründeten W. Bang und A. v. Gabain 1929 die schließlich zehn Nummern umfassende Reihe »Türkische Turfantexte«, an welcher später auch G. R. Rachmati (TT VI, VII) mitarbeitete. A. v. Gabain war es auch, die eine Faksimile-Edition der Maitrisimit-Fragmente besorgte. Eine Photoedition der »Uigurica I-IV« wurde 1983 von G. Hazai und P. Zieme herausgegeben. Die meisten der genannten Veröffentlichungen sind in dem mehrbändigen Nachdruck »Ergebnisse der deutschen Turfan-Forschung« (1972-1985) bequem zugänglich gemacht worden. Mit ihrer »Alttürkischen Grammatik« hat A. v. Gabain 1941 die systematische Konsequenz aus ihrer editorischen Arbeit an den Turfantexten gezogen. Versehen mit reichhaltigem Belegmaterial ist diese Grammatik durch ihren praktischen Aufbau zugleich zum Werkzeug der nachfolgenden Turkologengenerationen geworden. Auch den Plan zu einem »Uigurischen Wörterbuch« hatte diese bedeutende Turkologin gefaßt; er wurde (und wird) von K. Röhrborn (1977-1998; bisher sechs Lieferungen) ausgeführt. Ein etymologisches Wörterbuch des Alttürkischen war 1972 von G. Clauson verfaßt worden, ein Belegwörterbuch hatten die Petersburger Turkologen 1968 erstellt. Probleme der Sprache, Schrift, Buchkultur und Literatur wurden in mehreren Aufsätzen von A. v. Gabain erörtert. Über die alten Buchformen der Uiguren veröffentlichte Ş. Tekin eine Monographie. M. Erdal hat eine grundlegende Untersuchung der alttürkischen Wortbildung vorgelegt sowie sich den Problemen der Phonologie gewidmet. Kürzlich hat er seine neue Grammatik unter dem Titel »A Grammar of Old Turkic« publiziert.

 

Die wissenschaftliche Bearbeitung der Turfantexte mündet in eine Edition, die sich in unterschiedlichem Maß und von den jeweiligen Fragmenten abhängig wie folgt aufbaut: a) Zusammenstellung von Fragmenten; b) Zuordnung der Bruchstücke zu Handschriftengruppen und deren Beschreibung; c) Transliteration der einzelnen Fragmente; d) kompilierter Text (je nach Sprache auch in Transkription), soweit mehrere Handschriften ausfindig gemacht werden konnten, oft der Versuch einer Rekonstruktion des ursprünglichen Werks; e) Übersetzung des Textes, bei einem Übersetzungstext ein detaillierter Vergleich mit dem zugrunde liegenden oder angenommenen Original, soweit dies möglich ist; f) Kommentare zu werkimmanenten sowie sprach-, religions- und/oder kulturgeschichtlichen, gegebenenfalls auch wirtschaftshistorischen Problemen; g) Indizes, kompletter Wortindex und/oder ein Terminologischer Index. In den letzten Jahren war es üblich, alle edierten Fragmente als Photofaksimiles hinzuzufügen. Die Turfan-Editionen sollen Grundlagen zu weiterführenden Studien in allen relevanten Aspekten, von der Buchkunde bis zur Religionswissenschaft, sein.

 

Eine erste zusammenfassende Übersicht über die buddhistische Literatur von J. Elverskog aus dem Jahr 1997 umfaßt 83 Einzelwerke, und seither ist die Zahl der identifizierten Texte weiter gestiegen. Berücksichtigt man neue Entdeckungen wie die in den Nördlichen Grotten von Mogao (bei Dunhuang) oder die Erschließung weiterer Texte aus den Sammlungen Berlins und Petersburgs, darf man optimistisch von einer weiteren Textzunahme ausgehen. Einige große Mahāyānasūtras wie das Vimalakīrtinirdeśasūtra, das Saddharmapuṇḍarīkasūtra (»Lotus-Sūtra«), das Suvarṇaprabhāsottamasūtra (»Goldglanz-Sūtra«), die Sukhāvātīvyūhasūtras, das Guanwuliangshoujing, das Vajracchedikāsūtra und andere Mahāprajñāpāramitā-Texte sind vertreten, ebenso von Mönchen übersetzte Kommentartexte.

Dank der unermüdlichen Arbeit taiwanesischer Buddhisten und Gelehrter ist der gesamte chinesische Kanon in der Taishō-Edition inzwischen digital erfaßt und ins Internet gestellt, so daß die Identifizierung der Bruchstücke wesentlich erleichtert wurde. In Zukunft wird man also schneller feststellen können, ob ein Text die Übersetzung eines bekannten Werkes ist oder nicht. Auf diese Weise wird es möglich, so eher zu einer Lösung zu kommen, welche Werke nur durch die uigurische Überlieferung erhalten geblieben sind. Bis dahin müssen jedoch noch viele Handschriften gesichtet, bearbeitet und ediert werden.

 

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Uigurischer Text in Runenschrift (U 5)

In zahlreichen Publikationen wurden Werke des uigurischen Buddhismus veröffentlicht (s. Publikationsliste). Die von S. Tezcan edierte Handschrift eines Insadi-Sūtra (s. BTT III) gehört zweifellos zu den am schwierigsten zu lesenden Texten der Berliner Sammlung. Immer mehr wird deutlich, daß es sich um eine eigenständige Bearbeitung buddhistischer Quellentexte handelt.

Die relativ späten Werke des tantrischen Buddhismus, die von der Beeinflussung durch die Tibeter zeugen, wurden in einer langfristigen Zusammenarbeit von G. Kara und P. Zieme ediert. Dazu gehören Sādhana-Texte, der Cakrasaṃvara-Zyklus, ein Guruyoga, die Mañjuśrīnāmasaṃgīti sowie eine aus Dunhuang stammende Version des Totenbuches (s. BTT VII, BTT VIII, Zieme-Kara Totenbuch).

 

Der Buddhismus in Zentralasien

Die in Nordwestindien entstandene Lehre des Buddha fand seit Aśoka, Herrscher der Maurya-Dynastie im 3. Jh. v. Chr., und vor allem seit dem letzten vorchristlichen Jahrhundert eine immer stärkere Anhängerschaft auch über Indien hinaus. Dabei spielten die zentralasiatischen Karawanenstraßen eine wichtige Rolle als frühe Missionswege nach China und Ostasien. Vom Buddhismus des sogenannten »Kleinen Fahrzeugs« (Hīnayāna) waren an der nördlichen Seidenstraße vor allem die Sarvāstivāda- und die Mūlasarvāstivāda-Schule wirksam, aber auch die zum Sarvāstivāda gehörige Vaibhāṣika-Schule hatte eine breite Ausstrahlung. Mit der Herausbildung des Mahāyāna-Buddhismus gingen auch neue Impulse von China aus, die in den zentralasiatischen Oasen auf fruchtbaren Boden fielen, insbesondere in Khotan und in der Turfanoase. Zeugnisse des Maitreya- und des Avalokiteśvara-Kultes sowie der Schule des Reinen Landes (Amitābha-Buddhismus) treten massiv in Erscheinung. Die engen Beziehungen zwischen Turfan und Dunhuang, insbesondere zur Zeit des Westuigurischen Königreichs, führten u. a. auch zur Ausbreitung des Dhyāna (> Chan > Zen). In der letzten Phase, zur Yuan-Zeit (13./14.Jh.), blühte unter dem Einfluß tibetischer und mongolischer Meister der Tantrismus.

 

Eine von K. Kudara und P. Zieme veröffentlichte Aufsatzserie behandelt bilinguale Exzerpte (chinesisch-alttürkisch) aus den Āgamas. Ähnliche zweisprachige buddhistische Texte sind eine Abschrift der Xuanzang-Biographie aus der Berliner Turfansammlung sowie das Schwitzbad-Sūtra. Des weiteren haben die Autoren eine versifizierte Fassung des Meditationssūtras Guanwuliangshoujing ediert, eines Sūtras der Schule des Reinen Landes, das bis dato nur in seiner chinesischen Fassung bekannt war.

Buddhistische Sündenbekenntnistexte, die seit den Türkischen Turfantexten IV in den Mittelpunkt des Interesses der Turkologen gerieten, wurden von K. Röhrborn, I. Warnke und J. Wilkens ediert.

Auf Grund von 60 Berliner Textfragmenten konnten die meisten Textzusammenhänge des in den Petersburger Handschriften wenig erhaltenen ersten Buchs des Goldglanzsūtra (Altun Yaruk Sudur) wiederhergestellt und 1996 als Edition vorgelegt werden (s. BTT XVIII). Damit schließt es eine Lücke in der bisherigen uigurischen Überlieferung dieses bedeutenden Mahāyānasūtras, das in viele Sprachen der buddhistischen Länder übersetzt wurde (Chinesisch, Tibetisch, Mongolisch, Tangutisch etc.). Ein Kapitel, welches von den drei Körpern des Buddha handelt, wurde 2001 von J. Wilkens ediert (s. BTT XXI).

Das Vimalakīrtinirdeśasūtra ist ein Mahāyānasūtra, dessen indisches Original bis auf wenige Zitate in anderen Texten als verschollen galt. Kürzlich hat eine japanische Forschungsgruppe ein vollständiges Palmblatt-Manuskript dieses bedeutenden Werkes aus der Sammlung des Potala-Palastes in Lhasa publiziert. Daneben sind Übersetzungen ins Chinesische, Khotansakische, Sogdische, Tibetische und Mongolische bekannt, denen eine aus den Turfanfragmenten gewonnene altuigurische Übersetzung eines Drittels dieses Werkes nunmehr zugesellt werden konnte (s. BTT XX). Einen altuigurischen Sammelkommentar nach chinesischen Vorlagen zu diesem Werk hat Y. Kasai vorgelegt (BTT XXIX).

Durch die Verleihung eines Forschungspreises der Alexander von Humboldt-Stiftung konnte und kann G. Kara die Zusammenarbeit mit P. Zieme fortsetzen. Ihre gemeinsame Edition betrifft eine Sammlung von uigurischen tantrischen Sūtras, in denen Avalokiteśvara, der Bodhisattva des Allerbarmens, die zentrale Rolle spielt. Diese aus dem Chinesischen übersetzten Werke werden mit ihren Originalen verglichen.

2005 wurde von P. Zieme die Ausgabe des Yetikän sudur (»Sūtra über den Großen Bären«) und anderer inhaltlich verwandter buddhistischer Texte, die sich auf Gestirne beziehen, vorgelegt (s. BTT XXIII).

Eine Studie zu den buddhistischen Kolophonen wurde von Y. Kasai publiziert (s. BTT XXVI).

Geplant sind neben der Bearbeitung eines Kommentars von Amitābha-Werken die Edition von Werken des Chan-Buddhismus, eine Sammlung der uigurischen Übersetzungen des Lotos-Sūtras sowie Stabreimdichtungen buddhistischen Inhalts (als Fortsetzung von BTT XIII). Die sehr umfangreiche und in vielen Handschriften überlieferte Erzählungssammlung Daśakarmapathāvadānamālā (»Kranz von Legenden, sich auf die zehn Tatenwege beziehen«) soll in einer Gesamtedition erschlossen werden.

 

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Fragment eines uigurischen Textes (U 3832)

Dieses Blatt wurde erst kürzlich in BTT XXIII publiziert. Bei U 3832, einem möglicherweise aus Murtuq stammenden Fragment, handelt es sich um den Rest eines prächtig ausgestatteten Buches mit goldgelber Schrift auf tiefblauem Untergrund, das dem tantrischen Buddhismus zuzurechnen ist. Der Text stammt aus einer alttürkischen Übersetzung des tantrischen Werkes Fo shuo pishamen tianwang jing (= *Vaiśravaṇa-devarāja-sūtra) »Das von Buddha gepredigte Sūtra über den Himmelskönig Vaiśravaṇa«, welches mit dem auf Sanskrit überlieferten Āṭānāṭikasūtra identisch ist. Auf der hier abgebildeten Seite spricht Vaiśravaṇa, einer der vier Weltenhüter (lokapāla) Verehrungsverse auf den Buddha.

Wenngleich im Mittelpunkt der Editionstätigkeit die zahlreich überlieferten religiösen Texte stehen, so ergeben sich doch ab und zu Möglichkeiten für die Arbeit an den schon erwähnten profanen Texten, die weniger literarischen Textgruppen zuzuordnen sind, dafür aber Erkenntnisse über reale Um- und Gegenstände der Gesellschaften in den zentralasiatischen Oasenstaaten liefern und so eine wichtige Quelle zur bisher wenig bekannten Geschichte der Turkvölker darstellen.

 

Schon sehr früh beschäftigte sich vor allem W. Radloff mit diesen säkularen Texten, deren Bearbeitung erst 1928 posthum in seinem Buch »Uigurische Sprachdenkmäler« erschien. Sein Schüler S. E. Malov setzte diese Arbeiten in Petersburg fort, in Berlin dagegen G. R. Arat, der eine großangelegte Studie über uigurische Dokumente vorbereitete (in dem von O. F. Sertkaya verwalteten Nachlaß befinden sich zahlreiche Textfotos, deren Originale als verloren gelten müssen). Seine 1964 erschienene Arbeit »Eski Türk Hukuk Vesikaları« war Ausgangsbasis für weiterführende Studien von L. V. Clark (»Introduction to the Uyghur Civil Documents of East Turkestan [13th-14th cc.]«, 1975) sowie japanischer Wissenschaftler, allen voran N. Yamada, dessen nachgelassene Bearbeitungen schließlich in der »Sammlung uigurischer Kontrakte« (hrsg. von T. Moriyasu, J. Oda, H. Umemura, P. Zieme) 1993 publiziert wurden. S. Raschmann legte in ihrem Buch »Baumwolle im türkischen Zentralasien« 1995 eine Sammlung wichtiger Belege vor. D. Matsui publizierte uigurische Dokumente und leistete so einen Beitrag zur Erforschung der Wirtschaft und Gesellschaft der Yuan-Zeit. Er beabsichtigt, »Uigur Administrative Orders during the Mongol Period« in den BTT zu veröffentlichen. T. Moriyasu wird seine Edition der uigurischen Briefe ebenfalls in den BTT vorlegen.

 

Die mitteliranischen Texte

Einige Buchrollen und Bücher unter dem mitteliranischen Textmaterial sind relativ gut erhalten. Zu letzteren gehört die Gruppe christlich-sogdischer Texte. Aus zahlreichen in Bulayïq gefundenen Blättern lassen sich Teile von Codices rekonstruieren. Zu den Perlen der Sammlung gehört daneben ein verkehrt gebundenes, unvollständiges manichäisches Büchlein, das sog. Bet- und Beichtbuch. Die Mehrzahl der Turfantexte besteht jedoch aus einzelnen Blättern (einige Male sind aufeinanderfolgende Blätter erhalten), zumeist Blattfragmenten. Aus Büchern herausgerissen fanden sie die Forscher z. T. zerstreut am Boden liegend oder kauften sie von den einheimischen Bauern. Unklar ist der Zeitpunkt der Zerstörung der Bücher, und man darf annehmen, daß auch die Fundumstände zur weiteren Fragmentierung des Textbestandes beitrugen. Einige dieser Blätter waren niemals in ein Buch eingebunden: sie waren der Abfall eines Scriptoriums.

Trotz des eher desolaten Zustandes vieler Fragmente sind die Texte aufgrund verschiedener Faktoren für uns greifbar. So handelt es sich bei zahlreichen Texten um relativ kurze Hymnen, die zu zweit oder dritt auf einem Blatt Platz finden konnten. Oder aber, da Kopien von Texten angefertigt wurden und im übrigen viele der Handschriften aus Sammlungen verschiedener Texte bestanden, kann ein- und derselbe Text in mehreren Abschriften vertreten sein. Zu den Leistungen der Turfanforschung gehört daher der akribisch geführte Vergleich und die synoptische Gegenüberstellung solcher Fragmente. So birgt der Erhaltungszustand der Fragmente für den Bearbeiter eines Textes die Notwendigkeit, die gesamte Sammlung zu kennen, denn der Text kann darin mehrfach und in schwer erkennbarer Form vertreten sein, und es hat sich gezeigt, daß entscheidende Erkenntnisse über den Text durchaus von einem unscheinbaren Fragment beigebracht werden können. Ein Teil der Arbeit an den Texten (und zugleich ein Ergebnis davon) besteht darin, die ursprünglichen Codices zu rekonstruieren. Eine gemäß Blattgröße und Schrifttyp ermittelte Zugehörigkeit hat eine relativ große Anzahl von Codices erkennen lassen, die des öfteren Sammlungen von Texten in mehreren Sprachen (Mittelpersisch, Parthisch, Sogdisch und Uigurisch) enthielten.

 

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Manichäische Schreiber. Buchblatt aus Qočo.

Übersetzung der alttürkischen Zeilen in der Kartusche:
»Wenn [man sich an Irrgläubige (?)] hält,
wenn man denen glaubt, die falsche Lehren einhalten,
wenn es ungläubige Neider, [gierige] Wünscher gibt,
muß man erkennen, daß dies [alles verderblich (?) ist].«

(aus einem nichtidentifizierten manichäischen Text).

Die in den in den Turfanfragmenten vertretenen mitteliranischen Sprachen sind: Mittelpersisch, Parthisch, Sogdisch, Sakisch und Baktrisch (ein Fragment in manichäischer Schrift, Hephthalitenfragmente). Zur Zeit der Entdeckung der Turfantexte waren von diesen Sprachen nur das Mittelpersische in Form des Buch-Pahlavī, der Sprache der zoroastrischen Bücher, bekannt, andere Quellen zu diesen Sprachen hingegen noch nicht erkannt oder gedeutet oder aufgefunden (mittelpersische und parthische Inschriften, sogdische Briefe und Urkunden, baktrische Urkunden). Auskünfte über diese Sprachen, z. B. in den Werken al-Bīrūnīs, konnten erst mit der Bearbeitung der Texte ihre Bedeutung gewinnen, ja erst sie (zusammen mit den Funden aus anderen Orten Zentralasiens) haben eine ganze Reihe mitteliranischer Sprachen hervortreten lassen und somit die Kenntnisse über die iranische Sprachgeschichte und die Kulturen entlang den Seidenstraßen entscheidend erweitert.

Bei den mittelpersischen Texten, deren Sprache durch das zoroastrische Mittelpersische schon bekannt war, hatte die Tatsache, daß die Turfantexte in der klaren manichäischen Schrift geschrieben sind und die Überlieferung der meisten Fragmente nicht wesentlich vom Frühneupersischen überlagert wurde, Folgen für die Deutung des orthographisch sehr undurchsichtigen und durch späte Tradierung gekennzeichneten zoroastrischen Mittelpersischen. Die durch die Turfantexte gebotene Möglichkeit, die einander nahestehenden Sprachen Mittelpersisch und Parthisch nach klaren Kriterien auseinanderzuhalten, führte zu einer generellen Klärung der sprachlichen Verhältnisse im Westen Irans der mitteliranischen Zeit und hatte Auswirkungen auf die Erfassung westiranischer Lehnwörter im Armenischen und in aramäischen Dialekten.

Noch heute bilden die parthischen Turfantexte die wichtigste Quelle für die Erforschung dieser Sprache. Die sogdischen Turfantexte haben aufgrund ihrer Menge und inhaltlichen Vielfalt eine herausragende Stellung innerhalb der unterschiedlichen und weitverstreuten Quellen dieser Sprache. Die mittelpersischen Turfantexte sind für das zoroastrische Mittelpersische eine wichtige sprachgeschichtliche Referenz. Die sakischen Turfantexte gesellen sich zu den umfangreicheren Funden aus den eigentlichen sakischen Sprachgebieten im Westen Zentralasiens. Die wenigen baktrischen Turfantexte, deren Bearbeitung große Schwierigkeiten bereitete, können jetzt hoffentlich mit den vielfältigen baktrischen Textfunden (vor allem der letzten zehn Jahre) aus Afghanistan zuverlässig erschlossen werden.

F. W. K. Müller stellte in den ersten nach Berlin geschickten Texten nicht nur mitteliranische Sprachen, sondern auch original manichäische Texte fest. Damit traten Texte ans Licht, die von Manichäern und nicht, wie die meisten bis dahin bekannten Texte, von erbitterten Gegnern dieser Religion bzw. den ein wenig objektiveren arabischen Geschichtsschreibern stammten und folglich einen neuen Zugang zum Manichäismus eröffneten. Ihre Bearbeitung hat der Manichäismus- und Gnosisforschung wichtige Impulse gegeben. Spätere Funde manichäischer und gnostischer Texte - vor allem in koptischer und griechischer Sprache - haben zu einer Vertiefung der Beschäftigung mit jenen des östlichen Manichäismus geführt und lassen deren relative Stellung ermitteln. Bei den parthischen und mittelpersischen manichäischen Texten ist zu bedenken, daß viele von ihnen im Iran und nicht - im Gegensatz zu den sogdischen und erst recht den uigurischen Texten - in Zentralasien entstanden sind, wo sie lediglich kopiert wurden. Überwiegend aber liegen uns Textabschriften aus dem 8.-11. Jh. vor (also 400-500 Jahre nach der Entstehung der Texte), angefertigt oder veranlaßt zunächst durch Westiranier, später Sogder oder Türken. Dies läßt sich an den den Abschnitten folgenden Namen erkennen.

Die christlichen und buddhistischen Texte haben nicht eine den manichäischen Texten vergleichbare herausragende Stellung. Sie sind vielfach Übersetzungen, die schlechter erhalten sind als ihre Vorlagen in anderen Sprachen. Dennoch sind sie beredtes Zeugnis für die Ausbreitung des Buddhismus und des Christentums in Zentralasien. Unter den buddhistischen Texten aus Turfan (und den anderen Stätten Zentralasiens) stellen wiederum die mitteliranischen (sogdischen und sakischen) nur einen kleinen Teil dar. Die sakischen gehen - möglicherweise indirekt über das Tocharische - vornehmlich auf indische und chinesische Vorlagen zurück.

Christlich-sogdische Texte wurden zusammen mit syrischen Texten gefunden und gehören einer zweisprachigen christlichen Gemeinde an, die dem auch im Sasanidenreich weitverbreiteten syrisch-sprachigen nestorianischen Christentum zuzurechnen ist. Neben Übersetzungen aus den Evangelien sind unterschiedliche kirchliche Texte vertreten, deren syrische Vorlagen vielfach überliefert sind. Diese tragen erheblich zum Verständnis der sogdischen Versionen bei wie diese wiederum zur Geschichte der Textüberlieferungen.

 

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Die Abbildung zeigt die untere Hälfte eines Blattes (n 493 Recto) in einer leicht modifizierten syrischen Schrift (Estrangelo) und christlich-sogdischer Sprache. Der Text, eine Übersetzung aus einer identifizierten syrischen Vorlage, enthält ein Gespräch zwischen einem jüngeren fragenden und einem älteren antwortenden Mönch und gehört zu den Apophthegmata Patrum. Die Gesprächspartner sind im Text durch die rot geschriebenen Wörter ptry (›der Vater‹ für den älteren Mönch) und br’t (›der Bruder‹ für den jüngeren Mönch) gekennzeichnet. Das Blatt ist Teil des großen sogdischen Codexes C 2 und wurde von N. Sims-Williams bearbeitet (BTT XII: Folio 61 R auf S. 129).

Ein besonderer christlicher Text ist das nach Turfan gelangte ›Psalterfragment‹ in mittelpersischer Sprache und einer Variante der Pahlavī-Schrift (der Schrift des sasanidischen Mittelpersischen) geschrieben - ein seltenes Zeugnis für den Übergang einer nestorianischen christlichen Gemeinde im Sasanidenreich vom Syrischen zum Mittelpersischen.

Die religiöse Zugehörigkeit eines Textes ist nicht nur wichtig für seine Terminologie und sein Verständnis, sie besagt in der Regel auch etwas über seine Entstehung. Sicherlich sind viele mittelpersische und parthische manichäische Texte Übersetzungen von nicht erhaltenen Originaltexten in einer aramäischen Sprache. Die manichäische Literatur in anderen Sprachen, insbesondere die reichhaltige koptische manichäische Literatur, bietet zum Teil ebenfalls Übersetzungen und Adaptionen jener gleichen Originale. Andererseits sind chinesische Übersetzungen und Adaptionen parthischer manichäischer Texte überliefert und vereinzelt sogdische Versionen parthischer Texte (Sermon vom Licht-Nous; Sermon von der Seele).

Die meisten erhaltenen sogdischen Texte sind Übersetzungen und Adaptionen aus identifizierten syrischen (christlich-sogdisch) und chinesischen (buddhistisch-sogdischen) Vorlagen.

Diese Verflechtungen, die von dem zeugen, was als besonderes Merkmal der Seidenstraßen gilt: nicht nur Verbindungsglied zwischen Handelsorten, sondern auch zwischen Kulturen, Sprachen und Religionen gewesen zu sein, bieten vielfache Möglichkeiten zur Deutung der Texte und verlangen auch den Bearbeitern eine hohe Kompetenz und die Bereitschaft ab, sich mit Kollegen benachbarter Disziplinen auszutauschen.

 

Edition der iranischen Turfantexte

Nachdem F. W. K. Müller die später so genannte manichäische Schrift entziffert hatte, konnte er 1904 mittelpersische und parthische Texte in Transkription und Übersetzung vorlegen, welche C. Salemann 1908 neu bearbeitete und mit einem Wörterbuch, grammatischen Anmerkungen und einem rückläufigen Index versah.

 

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Das manichäische Blatt M 4a / I / V /,/ II / R/

Auf der rechten Seite der Abbildung steht ein kurzer Hymnus auf Parthisch in manichäischer Schrift, den F. W. K. Müller bereits 1904 veröffentlichte und für den M. Lidzbarski 1918 aufgrund des Sprachgebrauchs ein aramäisches Original annahm und sogar rekonstruierte. Da Mānī an anderer Stelle sagt: ›Ich bin ein Arzt aus dem Land Babylonien‹ (bzyšk hym ’c b’b[y](l) z(m)[yg ] M48+/I/R/18-19/), scheint der Text Bezug auf ihn zu nehmen.

 

        Transliteration                                          Transkription

 

3/     nys’r’d mwqr’nyg b’š’                      nisārād muqrānīg(?) bāšā

4/     ’bjyrw’ng ‘šnwhrg hym                    abžīrwānag išnōhrag hēm

5/     cy ’c b’byl zmyg                              čē až bābēl zamīg

6/     wyspryxt hym ˚˚ wyspryxt                wisprixt hēm ˚ wisprixt

7/     hym ’c zmyg b’byl ’wd                     hēm až zamīg bābēl ud

8/     pd r’štyft br ’wyšt’’d                         pad rāštīft bar awēštād

9/     hym ˚˚ ˚˚ sr’wg hym ’bjyrw’ng          hēm˚ ˚ sarāwag(?) hēm abžīrwānag

10/   cy ’c b’byl zmyg frnft                       čē až bābēl zamīg franaft

11/   hym ˚˚ frnft hym ’c zmyg                  hēm ˚ franaft hēm až zamīg

12/   b’byl kw xrws’n xrws pd                  bābēl ku xrōsān xrōs pad

13/   zmbwdyg ˚˚ ˚˚ ’w ‘šm’ yzd’n             zambūdīg ˚ ˚ ō išmā yazdān

14/   pdwh’m hrwyn bg’n hyrzydw           padwahām harwīn baγān hirzēd-u(?)

15/   ’w mn ’st’r pd ’mwjdyft ˚˚                 ō man āstār pad āmuždīft ˚˚

16/   hnjft mwqr’nyg b’š’h                        hanjaft muqrānīg(?) bāšāh

 

Übersetzung:

Angefangen hat der Muqrān(?)-Hymnus

Ich bin ein dankbarer Schüler, der ich bin aus dem Land Babylonien entsprossen.
Entsprossen bin ich aus dem Land Babylonien, und am Tor der Wahrheit habe ich gestanden.
Ich bin ein junger Schüler, der ich bin aus dem Land Babylonien fortgegangen.
Fortgegangen bin ich aus dem Land Babylonien, damit ich einen Ruf rufe in der Welt.
Ich flehe Euch Götter an: Alle Götter, erlasst mir die Sünde(n) aus Barmherzigkeit!
Beendet ist der Muqrān(?)-Hymnus

Noch konnten die zwei engverwandten Sprachen, Parthisch und Mittelpersisch, nicht differenziert werden. Dieses gelang systematisch und umfassend erst P. Tedesco 1921 in einer dialektologischen Studie. Neue Texteditionen wurden von E. Waldschmidt und W. Lentz 1926 und 1933 in religionswissenschaftlichen Arbeiten und von W. B. Henning 1932, 1933 und 1934 (aus dem Nachlaß von F. C. Andreas) sowie in verschiedenen Aufsätzen, vornehmlich von W. B. Henning, vorgelegt. Diese Arbeit setzten vor allem M. Boyce 1954 und W. Sundermann, Bearbeiter der Texte seit 1970 (Arbeitsstellenleiter von 1992 bis 2000) fort. M. Boyce stellte 1975 viele der bis dahin veröffentlichten Texte zusammen. Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben Editionen von Textgruppen oder Einzeltexten vorgelegt. Das christlich-mittelpersische Psalter-Fragment wurde 1933 von K. Barr aus dem Nachlaß von F.C. Andreas herausgegeben. Grammatische Studien zum Westmitteliranischen konzentrierten sich zunächst 1933 bzw. 1939 auf das Verbum des Mittelpersischen (W. B. Henning) und des Parthischen (A. Ghilain). Chr. Brunner legte 1977 eine Syntax des Westmitteliranischen vor.

Editionen umfangreicheren Textmaterials enthalten in der Regel ein Glossar. M. Boyce erstellte 1977 eine Word-list zu den vielen von ihr 1975 veröffentlichten Texten. Im Rahmen des Manichaean Dictionary Project der School of Oriental and African Studies, University of London, ist ein Wörterbuch der veröffentlichten parthischen und mittelpersischen manichäischen Texte entstanden (D. Durkin-Meisterernst 2004). Ein vollständiges Wörterbuch aller westmitteliranischen Texte bleibt jedoch ein Desiderat.

Auch der Erforschung des Sogdischen, eine bis zu den Turfanfunden nur aus Münzlegenden und durch arabische Historiker bekannte Sprache, wandte sich F. W. K. Müller bald zu (1913, aus seinem Nachlaß Müller-Lentz 1934). Während er sie jedoch als »Pehlevidialekt« bezeichnete, identifizierte sie sein Kollege F. C. Andreas als Sogdisch. W. B. Henning legte 1936 eine umfangreiche Studie zu einem manichäisch-sogdischen Text vor. Die Arbeit an christlich-sogdischen Texten wurde von O. Hansen (Bearbeiter der Texte von 1938-43 und 1947-49) 1941 und 1955, M. Schwartz 1968 und 1982 (beide nicht veröffentlicht) und N. Sims-Williams 1985 fortgesetzt, von letzterem mit einer vollständigen Bearbeitung der erhaltenen Teile der christlich-sogdischen Handschrift C2. W. Sundermann widmete sich 1985 einem umfangreichen manichäisch-sogdischen Text und hat im Lauf der Jahre viele Einzeltexte veröffentlicht. Die buddhistisch-sogdischen Turfanfragmente haben gegenüber den außerhalb von Turfan gefundenen buddhistisch-sogdischen Texten bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden. Editionen einzelner Texte sind von Müller-Lentz 1934, Utz 1976 (nicht veröffentlicht), Kudara-Sundermann 1987, 1988,1991, 1992, 1998 und Yakubovich- Yoshida 2005 vorgelegt worden.

I. Gershevitch erarbeitete 1954 eine Grammatik des Manichäisch-Sogdischen, B. Gharib 1995 ein Wörterbuch, das die Lexik der veröffentlichten sogdischen Texte erfaßt.

J. P. Asmussen 1975 und H.-J. Klimkeit 1989 und 1993 haben Anthologien iranischer und türkischer manichäischer Texte in Übersetzung zusammengestellt.

Die editorische Arbeit konzentrierte sich seit Wiederbegründung der Turfanforschungsgruppe vor allem auf die manichäischen Texte. Die Tatsache, daß ihr größter Teil nicht auf anderssprachige Originale zurückgeführt werden kann und in den bereits gut erforschten Sprachen Mittelpersisch, Parthisch und vor allem Sogdisch geschrieben ist, macht ihre Edition unter literatur- und religionsgeschichtlichen Gesichtspunkten zur Hauptaufgabe. W. Sundermann legte seine bisherigen Ergebnisse in folgenden Veröffentlichungen vor:

1. Rekonstruktion von originalen Literaturwerken der Manichäer

Mitteliranische manichäische Texte kirchengeschichtlichen Inhalts (BTT XI): macht die Werke der kirchengeschichtlichen Homilie in mittelpersischer, parthischer und sogdischer Sprache bekannt. Gegenstand sind das Leben Manis und die Missionsgeschichte im 3. Jh. n. Chr.

Ein manichäisch-soghdisches Parabelbuch (BTT XV): eine sogdische Parabelsammlung. Die Parabel von der Religion und dem Weltmeer adaptiert eine buddhistische Allegorie.

The Manichaean Hymn cycles Huyadagmān and Angad Rōšnān in Parthian and Sogdian (CII Suppl.Series II): Nachträge, Ergänzungen zur Erstedition der parthischen Version von M. Boyce, erste Edition der sogdischen Version.

Der Sermon vom Licht-Nous. Eine Lehrschrift des östlichen Manichäismus (BTT XVII): Wiederherstellung der parthischen und sogdischen Version eines Lehrtextes über die Befreiung der Lichtseele des Menschen und seine Wandlung zum Neuen Menschen durch den Licht-Nous und die Merkmale des Neuen Menschen. Das Werk ist vollständig in chinesischer Version erhalten.

Der Sermon von der Seele. Eine Lehrschrift des östlichen Manichäismus (BTT XIX): Rekonstruktion der parthischen und sogdischen Version eines Lehrtextes über die Natur und die wohltätige Wirksamkeit der kosmischen fünf Lichtelemente.

2. Edition thematisch bestimmter Textgruppen von Werken der manichäischen Literatur

Mittelpersische und parthische kosmogonische und Parabeltexte der Manichäer (BTT IV): Texte kosmogonischen Inhalts, darunter zahlreiche Fragmente eines Werkes, das wahrscheinlich Mani zuzuschreiben ist und also kanonischen Charakter besitzt; Parabeltexte, die auf die Existenz ostmanichäischer Parabelsammlungen hindeuten.

3. Faksimileeditionen

Ein weiteres Anliegen der iranistischen Turfaneditionen war seit 1996 die Publikation von Faksimiles der vor den siebziger Jahren veröffentlichten Texte, die in der Regel nicht von Textfotos begleitet wurden. Das Projekt kann als abgeschlossen gelten, da alle neuen Editionen auch Faksimiles enthalten. Erschienen sind:

W. Sundermann, Iranian Manichaean Turfan texts in early publications (1904-1934) (CII Suppl. Series Vol. III), fortgesetzt in:

D.Weber, Iranian Manichaean Turfan texts in publications since 1934 (CII Suppl. Series Vol. IV).

Gegenwärtig arbeiten W. Sundermann am mittelpersischen Hymnenzyklus Rede der Lebendigen Seele (gōwišn ī grīw zīndag) und dessen sogdischer Version. Der jetzige iranistische Mitarbeiter D. Durkin-Meisterernst hat die mittelpersischen und parthischen Hymnen an die Lebendige Seele ediert (BTT XXIV). Letzterer hat eine noch unveröffentlichte Grammatik des Westmitteliranischen erarbeitet. Chr. Reck hat die Edition der mitteliranischen manichäischen Montags- und Bemahymnen vorgelegt (BTT XXII). Zusammen mit E. Morano hat D. Durkin-Meisterernst eine Edition der Psalmen Manis realisiert (BTT XXVII). 

 


Katalogisierung

»Machen Sie einen Katalog!« Dieser Aufforderung konnten sich die ersten Bearbeiter der sensationellen Funde aus der Turfan-Oase noch entziehen. Sie erkannten die bedeutsamsten Stücke und publizierten schnell die ersten aufsehenerregenden Ergebnisse.

Die administrative Aufnahme der Fragmente war dabei zweitrangig. Bei den mitteliranischen Fragmenten in manichäischer Schrift wurden die ersten 1000 Textplatten durchnumeriert (M 1 bis M 919). Auf die anderen Fragmente wurde die Nummer der Expedition (T I bis T IV bzw. T 4) aufgestempelt oder -geschrieben. Diese Angabe konnte ergänzt sein durch die Angabe des Fundortes (z. B. α = Qočo Ruine α, D = Dakianusšähri =Qočo, T = Toyuq oder M = Murtuq usw.) und bei einigen durch die Nummer des Bündels, worin sich das Fragment beim Transport nach Deutschland befunden hatte, oder durch andere Numerierungen. Diese Fundsigel erlaubten oft keine eindeutige Identifizierung eines Fragments. Die Expeditionsberichte, die im Museum für Indische Kunst in Berlin-Dahlem aufbewahrt werden, geben nach Möglichkeit Auskunft über den Fund oder Erwerb bezogen auf die Päckchen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Fehlen von Katalogen und einer eindeutigen Signierung der Fragmente zu einem deutlichen Problem. Zwar erschlossen Karteien, Listen, vorläufige Transliterationen und photographische Aufnahmen einen Teil der Fragmente, doch eine konsequente Erfassung aller Fundstücke lag nicht vor. So konnten auch die Verluste durch die Auslagerung der Fragmente während des Zweiten Weltkriegs nicht sicher bestimmt werden.

In der Folge wurde damit begonnen, die Fragmente individuell zu signieren. Dabei benutzte man ein alphanumerisches System, wie es bei den manichäischen Texten vorgegeben war. »U« wurde verwendet für die alttürkischen (uigurischen) Fragmente in sämtlichen für sie verwendeten Schriften, »Ch/U« für die Fragmente, die auf einer Seite chinesische, auf der anderen uigurische Schrift tragen usw. Dieses System wurde nach 1990 - nach der Wiederzusammenführung der Sammlung - abschließend auch auf die Fragmente angewendet, die bis dahin noch nicht erfaßt waren. Kennzeichnendes Merkmal war die Schrift des Textes auf den Fragmenten. So erhielten die sogdischen Texte in nestorianischer Schrift ein kleines »n«. Die sogdischen Texte in sogdischer Schrift wurden durch »So« bzw. »Ch/So« analog zu den uigurischen gekennzeichnet. Die Sanskritfragmente wurden als "SHT" (Sanskrit-Handschriften aus Turfan) bezeichnet. Analog dazu heißen die tocharischen Fragmente "TochHT", die syrischen "SyrHT" usw.

Nach dieser Kennzeichnung bestand noch immer das Problem, die Sammlung durch Kataloge zu erschließen. In Katalogen kann nicht nur der Bestand nachgewiesen und formal beschrieben, sondern auch der Inhalt der Texte dargestellt werden. Damit verschaffen die Kataloge einen Überblick über die Sammlung. Inhaltliche und formale Konkordanzen ermöglichen den Philologen eine gezielte Auswahl. Sie können daraufhin - mit einer gewissen Sicherheit - das gesamte zu einem Thema oder einer Handschrift gehörende Material bestimmen und bearbeiten. Daß es darüber hinaus zu überraschenden neuen Zuordnungen kommen kann, ist immer möglich.

Im allgemeinen leisten die Kataloge also die Vorarbeit für die Editionstätigkeit. Anders verhält es sich bei solchen Handschriftengruppen wie den buddhistischen chinesischen. Hier sind die meisten Texte im Kanon der buddhistischen Schriften, wie z. B. dem Taishō Tripiṭaka, vollständig belegt. In ihren Fällen muß im Katalog die Stelle der Entsprechung angegeben werden, eine neue Edition aber ist nicht notwendig.

Die überwiegend uigurischen Fragmente, die in der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur aufbewahrt wurden, erfaßte Ş. Tekin in einem vorläufigen Katalog. Diese Fragmente fallen aus dem im Prinzip an der Schrift orientierten Signaturensystem heraus, da sie mit dem alphabetischen Teil »Mainz« für den ehemaligen Standort gekennzeichnet sind.

Im Einvernehmen mit der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft wurde 1958 die Katalogisierung der orientalischen Handschriften in Deutschland (KOHD) begründet und in das Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufgenommen. Als Arbeitsgrundlage diente das Merkblatt für die Katalogisierung, das von W. Voigt, dem damaligen Leiter der Orientalischen Sammlungen der Westdeutschen Bibliothek (ehem. Preußische Staatsbibliothek) in Marburg im Jahresbericht 1957/58 veröffentlicht wurde. Diese Anleitung zur Gestaltung einer Katalogbeschreibung bezieht sich allerdings im wesentlichen auf Handschriften, von denen man den Verfasser, Buchtitel u. v. a. mehr kennt. Die Turfanfragmente hingegen sind zu einem großen Teil Abschriften von religiösen Werken und zu einem kleinen Teil wirtschaftliche Dokumente, beide zumeist ohne Verfasser. Überschriften und Paginierungen sind oft nicht vorhanden. Außerdem sind die Fragmente zumeist nur Bruchstücke aus verschiedenen Texten. Durch diese defizitären Zustände kann die Beschreibung in einer Katalognummer manche wünschenswerte Information nicht erbringen.

Da diese Bedingungen auch zwischen den Handschriftengruppen unterschiedlich sind, haben sich bei den Unterreihen der Kataloge variierende Formen entwickelt.

 

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VOHD 13,13.

Die Abbildung zeigt die Beschreibung eines buddhistischen uigurischen (bereits publizierten) Fragments. Links oben befindet sich die Katalognummer 055, in der Mitte die Signatur U 3285 und in runden Klammern das Fundsigel T III M 192 (3. Turfanexpedition, Fundort: Murtuq). Nach der formalen Beschreibung des Fragments, seines Erhaltungszustands und möglicher Besonderheiten der Beschriftung folgen die Einordnung des Bruchstücks in das Gesamtwerk, hier das Altun Yaruk Sudur, die uigurische Übersetzung des »Goldglanzsūtra« (skr. Suvarṇaprabhāsottamasūtra). Danach werden Textbeispiele gegeben, gewöhnlich die erste und die letzte Zeile. Es folgen die Angaben zur Publikation eines Faksimiles, des Textes und Angaben zu eventuellen Paralleltexten.

Die Kataloge werden in der Reihe Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland (VOHD) publiziert. Die ersten Kataloge erschienen als Band 10: Sanskrithandschriften aus den Turfanfunden und sind heute bis Teil 9 vorangekommen.

Im Jahre 1960 erschien von M. Boyce ein Katalog der mitteliranischen Fragmente in manichäischer Schrift (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Institut für Orientforschung, Veröffentlichung Nr. 45).

Kataloge der tibetischen und mongolischen Fragmente wurden in der Reihe Berliner Turfantexte von M. Taube und M. Taube/D. Cerensodnom publiziert, ebenso die ersten beiden Bände des Katalogs der buddhistisch-chinesischen Fragmente. Der dritte Band wurde von japanischen Kollegen an der Ryūkoku-Universität in Kyoto erarbeitet und in der VOHD-Reihe unter Band XII: Chinesische und manjurische Handschrifen und seltene Drucke, Teil 4: Chinese Buddhist texts from the Berlin Turfan collections, vol 3, compiled by Kogi Kudara, edited by Toshitaka Hasuike and Mazumi Mitani, publiziert. Ein Katalogband von T. Nishiwaki (hrsg. v. S.-Chr. Raschmann), der überwiegend nichtbuddhistische chinesische Fragmente beschreibt, ist als Teil 3 dieser Unterreihe im Jahr 2001 erschienen. Ein Katalog der tocharischen Handschriftenfragmente wird von Chr. Schaefer vorbereitet.

1989 konnte die KOHD in das Bund-Länder-finanzierte Akademienprogramm aufgenommen werden. Die Leitungsverantwortung übernahm die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. In der Arbeitsstelle Berlin 2: Turfanforschung werden die alttürkischen und mitteliranischen Fragmente bearbeitet, in die Katalogisierung der ersteren sind außerdem der Mitarbeiter der Arbeitsstelle Marburg, Abdurishid Yakup, und zwei ehemalige Mitarbeiter dieser Arbeitsstelle,  J.-P. Laut und J. Wilkens, die nun ehrenamtlich für die KOHD tätig sind, einbezogen. Aufgrund der Materialfülle werden diese Kataloge mehrere Bände umfassen. Im Gegensatz zu dem sonst innerhalb des Projekts angestrebten Ziel, die Sammlung auch in ihrer Aufstellung zu repräsentieren, orientieren sich diese Bände zunächst an inhaltlichen Kriterien. Sie beschreiben Fragmente, die zu einem bestimmten Buch bzw. Sūtra, einer ausgewählten Textgattung oder einem bestimmten Thema gehören, oder aber sie umfassen die Fragmente, die sich einer bestimmten Religion zuordnen lassen. Der im Jahr 2000 erschienene Katalog der manichäischen alttürkischen Fragmente von J. Wilkens umfaßt 594 Einträge. Es sind bereits zahlreiche Kataloge der buddhistischen alttürkischen Fragmente publiziert, so drei Bände von S.-Chr. Raschmann zum Altun Yaruk Sudur. Darin sind ca. 1000 Fragmente in 763 Katalognummern beschrieben. Der Katalog von J. Wilkens zu alttürkischen buddhistischen  Beichttexten umfaßt 369 Katalognummern. Im Jahr 2006 sind der erste Teil des Kataloges der uigurischen Wirtschaftstexte von S.-Chr. Raschmann und der Katalog zu den Blockdrucken von Abdurishid Yakup abgeschlossen worden, desgleichen der erste Teil des Kataloges der mitteliranischen Handschriften in soghdischer Schrift von Chr. Reck, der die manichäischen Fragmente enthält (442 Einträge). Bis zum Jahr 2015 sollen alle alttürkischen und mitteliranischen Fragmente in Katalogen erfaßt sein.

 

Digitalisierung

Die Datenbank für die Verwaltung der Handschriftenfragmente

Für die administrative Betreuung der Handschriftenfragmente wurde in der Orientabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin eine Datenbank entwickelt. Diese Datenbank enthält zur Zeit ungefähr 40500 Datensätze. Die Erfassung erfolgt primär über die Standortsignatur der Fragmente, aber auch über die in den älteren Publikationen verwendeten Fundsigel. Jeder Datensatz enthält Angaben zu Schrift, Sprache und Inhalt des Bruchstücks bzw. den Titel des Gesamtwerks, zur Aufnahme in einen Katalog und fotografischen Reproduktion. Außerdem erlaubt ein freies Textfeld Anmerkungen zu Revisionsergebnissen, Parallelstellen, Restaurierung, Publikation u. a. Die Datensätze sind verknüpft mit internen Informationen zur Benutzung, Reproduktion und einem ausführlichen Publikationsnachweis. Die in dieser Datenbank erfaßten Metadaten, die kontinuierlich ergänzt werden, wurden für die tocharischen Fragmente im Rahmen des  TITUS- Projekts mit Bearbeitungen der Texte und ihren digitalisierten Abbildungen verknüpft und bilden die Grundlage für die Präsentation der chinesischen Turfantexte in der IDP-Datenbank.


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Screenshot aus der Datenbank für die Verwaltung der Handschriftenfragmente

 

Digitales Turfan-Archiv (DTA)

Die Digitalisierung aller Berliner Turfan-Fragmente war und ist ein ehrgeiziges, aufwendiges und kostspieliges Projekt. Es wurde nur möglich auf der Grundlage einer finanziellen Unterstützung durch die DFG – die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Diese hatte 1997 – in Umsetzung einer UNESCO-Initiative – ein Programm zur »Retrodigitalisierung von Bibliotheksbeständen« verabschiedet und finanzielle Mittel für entsprechende Projekte zur Verfügung gestellt. Das »Digitalisierungsprojekt der Berliner Turfantexte« gehörte somit zu den ersten in diesem Rahmen von der DFG geförderten Projekten.

Im Zeitraum Herbst 1997 – Juni 2005 konnte auf diesem Wege die Digitalisierung und Internetpräsentation der 8500 alttürkischen, 5000 mitteliranischen und 100 mongolischen  Textfragmente der Berliner Turfansammlung realisiert werden. Das angestrebte Ziel war und ist die Schonung der Originale, eine Reduplizierung des Archivbestandes und die Bereitstellung der Texte im Internet. Das Projekt stützte sich in der Anfangsphase auf die Erfahrungen eines Digitalisierungsprojekts an der Universität Frankfurt am Main. Dort wird seit 1995 im Rahmen des TITUS-Projekts (»Thesaurus Indogermanischer Text- und Sprachmaterialien«) die Gruppe der tocharischen Turfantexte elektronisch aufgearbeitet. In diesem Rahmen wurden auch die Originalhandschriften digitalisiert, wobei aus Qualitätsgründen, aber auch zum Zwecke der Konservierung, der Umweg über die Erstellung von Farbdias gewählt wurde, die dann mit einem hochauflösenden Dia-Scanner eingelesen werden. Mit den so digitalisierten Handschriften werden die elektronischen Texte neu kollationiert und, wo erforderlich, überarbeitet. Die Digitalisierung der tocharischen Fragmente wurde finanziell großzügig von der privaten Tamai-Foundation gefördert.

Das Projekt des Akademienvorhabens Turfanforschung, in Kooperation mit der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, beschränkte sich in der ersten Phase auf die Anfertigung digitaler Bilder der alttürkischen, mitteliranischen und mongolischen Turfantexte auf die oben beschriebene Weise und deren Sicherung auf verschiedenen Speichermedien. Im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten werden vor der Verfilmung die notwendigen konservatorisch-restauratorischen Arbeiten an den verglast aufbewahrten Fragmenten ausgeführt. Der weltweite Zugang zu den digitalisierten Fragmenten wird über die Internetpräsenz des Akademienvorhabens Turfanforschung (Auswahl Digitales Turfanarchiv I in der Menüleiste) ermöglicht. Hier findet man eine kurze Beschreibung des Projekts und den Eingang ins digitale Archiv, gelangt dann zu einem Überblick über die einzelnen Untergruppen (d.h. Signaturengruppen) der alttürkischen, mitteliranischen und mongolischen  Turfantexte, wählt eine Gruppe aus und kann sich die vorhandenen Fragmente dieser Signaturengruppe nacheinander anschauen. Soweit vorhanden, sind in Form von pdf-Dateien die Informationen zu publizierten Katalogbeschreibungen der Fragmente beigefügt. Im DTA I stehen 28,465 Bilddateien von 14,480 Turfanfragmenten zur Verfügung.

Im November 2005 wurde auf der Grundlage eines gemeinsamen Antrages der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz das DFG-Projekt »Digitalisierung der chinesischen und tibetischen Turfantexte« begonnen. Die Grundlage dieses Projektes bildet ein 2005 geschlossener Kooperationsvertrag mit dem International Dunhuang Project (IDP) der British Library, London. Im Ergebnis dieser Zusammenarbeit werden nunmehr über die reine Bildinformation hinaus dem jeweiligen Forschungsstand entsprechende Metadaten zu den einzelnen Fragmenten (Identifizierungen, Katalogeinträge, bibliographische Angaben) erfaßt und sind durch die Präsentation im Datenbankformat (IDP-database) mit vielfältigen Suchfunktionen leicht recherchierbar. Die Einbindung in die IDP-Datenbank ermöglicht  zugleich den Zugang zu dem Material der Berliner Turfansammlung über ein gemeinsames Portal der zentralasiatischen Sammlungen in London, Beijing, St. Petersburg, Kyoto. Auf der Grundlage des Kooperationsvertrages wurde eine deutschsprachige Internetpräsenz des International Dunhuang Projects erstellt (http://idp.bbaw.de/).

 

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Screenshot aus der IDP-Datenbank

 

Über den jeweils aktuellen Stand der Digitalisierung dieser Textgruppen wird auf der Homepage des Akademienvorhabens Turfanforschung informiert.

In der Planung befindet sich ein neues Projekt zur Digitalisierung, Archivierung und Internetpräsentation der syrischen und Sanskrithandschriften der Berliner Turfansammlung. Nach einem erfolgreichen Abschluss wäre danach der gesamte Textbestand der Berliner Turfansammlung digital gesichert und im Internet abrufbar.

 

Digitale Texteditionen

 

a) VATEC-Projekt

VATEC bedeutet »Vorislamische alttürkische Texte - elektronisches Corpus« und ist ein Datenbankprojekt. Es wird erarbeitet in Zusammenarbeit zwischen der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Institut für Orientalische und Ostasiatische Philologien; Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft, Phonetik und Slawische Philologie), der Georg August-Universität Göttingen (Seminar für Turkologie und Zentralasienkunde) und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Akademienvorhaben Turfanforschung). Das VATEC-Projekt wird gefördert durch die DFG.

Gegenstand des Projekts ist die einheitliche und gegenwärtigen Kenntnissen entsprechende elektronische Erfassung von nichtislamischen alttürkischen Texten (Handschriftentexten und Drucken), die bereits veröffentlicht sind oder sich in Bearbeitung befinden. Gleichzeitig werden die Lesungen der Editionen an den Originalen oder an Faksimiles bzw. Photos überprüft. Da in manchen Fällen die fast ein Jahrhundert zurückliegende Ersterschließung der Quellen auf einer weit geringeren Kenntnis der Sprache beruhte, können die Bearbeitungen zum Teil als Neuedition bezeichnet werden.

Bezogen auf die einzelnen Zeilen des Originaltextes ist die Datenbank so aufgebaut, daß folgende Elemente dargestellt werden: 1. Referenzangabe, 2. ggf. ein Verweis auf Parallelstellen in anderen Handschriften, 3. Transliteration, 4. genaue Transkription, 5. Transkription, 6. eine interlineare morphologische Analyse mit den drei Analyse-Ebenen morphologische Trennung (morphological parsing), Glossierung (wörtliche Übersetzung der Wortstämme und Beschreibung der grammatischen Formen), Angaben zu Wortarten bzw. Funktionsklassen bei den Suffixen (part of speech), 7. deutsche oder englische Übersetzung und 8. ggf. Kommentar.

Die Referenzangabe ist die Signatur der Zeile und enthält Angaben zum Textkorpus bzw. zur Edition, zur Handschrift und gelegentlich deren Aufbewahrungsort, zum Blatt, ggf. die Angabe über recto/verso und schließlich die Nummer der Zeile.

Zum Zwecke größerer Genauigkeit wird neben der Transliteration und Transkription eine sogenannte »Rohtranskription« erstellt, in der orthographische und andere Eigenheiten der jeweiligen Handschrift immer noch wiedergegeben sind und die darüber hinaus Angaben über beschädigte Stellen, Konjekturen und Ergänzungen enthält. Deren normalisierte Variante (die Transkription) dient als Ausgangspunkt der grammatischen Analyse.

Die Erstellung der morphologischen Analyse erfolgt halbautomatisch (Programm Shoebox), was voraussetzt, daß parallel zur Eingabe der Texte ein als Datenbank strukturiertes Lexikon erarbeitet wird, das neben den Wortstämmen mit den jeweiligen deutschen Bedeutungen und Angaben zur Wortart auch alle Suffixe mit Angaben zu Funktion und Funktionsklasse enthält. Die in Frankfurt, Göttingen und Berlin parallel entstehenden unterschiedlichen Lexika werden schließlich von Zeit zu Zeit mit einem speziell erstellten Computerscript ver- und abgeglichen.

Die über VATEC erarbeiteten Texte liegen als CD-ROM vor und können über die Projektzentrale in Frankfurt bezogen werden. Die Präsentation der VATEC-Ergebnisse im Internet ist erfolgt:

http://vatec2.fkidg1.uni-frankfurt.de

Einzelheiten zum Projekt erfährt man unter:
http://vatec2.fkidg1.uni-frankfurt.de/konv.htm

Die verschiedenen Suchmöglichkeiten erleichtern die Arbeit mit dem Textkorpus:
http://vatec2.fkidg1.uni-frankfurt.de/vatecasp/query.htm

In Zukunft ist eine Zugriffsmöglichkeit von den VATEC-Texten auf das digitale Turfanarchiv vorgesehen.

 

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Screenshot aus der VATEC-Datenbank

 

b) MIRTEXT

Ausgehend vom Textmaterial, das S. N. C. Lieu teilweise in Zusammenarbeit mit D. N. MacKenzie und W. Sundermann für ein Korpus manichäischer Texte (Manichaean Database), sammelte, erstellte D. Durkin-Meisterernst seine MIRTEXT-Datenbank zur Erfassung des Textmaterials vornehmlich nach sprachbeschreibenden und lexikologischen Gesichtspunkten. Diese relationale Datenbank enthält in verknüpften Tabellen Texte, Wortformen, ein Glossar sowie eine Zeilen- und Satzkonkordanz und beherbergt inzwischen das gesamte veröffentlichte parthische und mittelpersische Textmaterial aus Turfan, in welches nach und nach das unveröffentlichte Material eingearbeitet wird. Eine ähnliche Datenbank ist auch für das sogdische Material eingerichtet worden. Die parthische und mittelpersische Datenbank diente schon als Grundlage für das Wörterbuch des manichäischen Parthischen und Mittelpersischen im Manichaean Dictionary Project.

 

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Screenshot aus der MIRTEXT-Datenbank

 

 Die Struktur von MIRTEXT ist:

Zeile > Text > Formen > Glossar
          > Satz

Dies sind die Namen von Tabellen, die in einzelnen Fächern (Felder genannt) Informationen enthalten.  Kern der Datenbank ist die Tabelle Text, die in je einem Eintrag im Feld „Wort“ jedes Wort der Texte enthält. Von ihr hängen die Tabellen Zeile, Formen und Satz direkt ab (d. h. diese sind in eine Relation zu ihr gestellt). Die Tabelle Glossar ist mit der Tabelle Formen und nicht direkt mit der Tabelle Text verbunden.

In der Abbildung sind die Tabellen mit ihren Feldern zu sehen. Das in der Tabelle Text enthaltene Wort pdw’c’h’ wird in der Tabelle Formen analysiert als „subj.2.sg.“ und in der Tabelle Glossar dem Lemma pdw’c- unterstellt. Rechts stehen die Tabellen Zeile und Satz. Die Tabelle Satz enthält den vollständigen Satz „Und antworte mir!“. Die Tabelle Zeile hat in diesem Beispiel keinen Eintrag, da der Text aus Duplikaten hergestellt wurde.

Die oben beschriebenen besonderen Umstände der Turfantexte machen insbesondere eine wirksame Erfassung von Duplikaten wichtig. Die in der Datenbank angewendete Methode ist der von W. Sundermann in synoptischen Editionen praktizierten Darstellung nachempfunden. Die Tabelle Duplikate enthält die Grundlage für den kompilierten Text, d. h. die diplomatische Edition aller Zeugnisse des Textes. In der Duplikatentabelle stehen die genauen Formen des bezeugten Wortes samt Stellenangaben (d. h. Handschriftennummern und -zeilen), in der Tabelle Text steht nur das aufgrund der Bezeugung ermittelte Wort samt Stellenangabe (d. h. Textsigel und Paragraphen- oder Verszahl).

Darüber hinaus hat MIRTEXT weitere Funktionen, die bei der Einarbeitung neuen Materials nützlich sind. Die Turfantexte gehören zu den Korpussprachen, d. h. zu Sprachen begrenzten Textmaterials, doch sind die Ränder der Korpora noch nicht erreicht. Weder sind alle vorhandenen Texte bearbeitet noch ist auszuschließen, daß neue Texte gefunden werden. Hinzu kommt, daß gegebene Lesungen zuweilen verbessert werden. Angesichts dieses nicht endgültigen Zustands ist die in der Datenbank gegebene Möglichkeit, in virtuellen Wortlisten und Konkordanzen die in den Lesungen zuletzt getätigten Änderungen sowie neu hinzugefügte Texte zu berücksichtigen, von großem Wert. Hier handelt es sich um Arbeitsmittel, die in dieser Form durch gedruckte Konkordanzen usw. nicht bereitgestellt werden können.

Des weiteren kann die Datenbank eingesetzt werden, um Übersetzungs- und Originaltext gemeinsam zu erfassen. Da für die Arbeit in der Datenbank das einzelne Wort als Grundlage dient, werden zu den Wörtern des Textes in der einen Sprache die einzelnen entsprechenden Wörter des anderen Textes eingegeben. Dies ist ein aufwendiger Vorgang, denn die Anpassung der Wörter beider Sprachen muß vom Bearbeiter manuell vorgenommen werden. Das Ergebnis der Anpassung ist eine Belegliste für die vergleichende Verteilung von Wörtern in beiden Sprachen, die z. B. in ein Wörterbuch einfließen kann. Dieses Mittel ist in den unterschiedlichen Stadien der Arbeit an einem Text einsetzbar. Bei seltenen Wörtern ist das Heranziehen der Übersetzungsvorlage in der Regel entscheidend für die Erfassung ihrer Bedeutung; bei einem bearbeiteten Text kann die Übersetzungstechnik studiert werden, um den speziellen Umgang des Übersetzers mit seiner Vorlage zu ermitteln. 

 

c) TITUS

Im Rahmen der Erstellung und Sammlung digitalisierten Sprachmaterials zu den indogermanischen Sprachen sind digitale Archive des veröffentlichten mitteliranischen Materials u. a. aus der Turfansammlung in TITUS (»Thesaurus indogermanischer Text- und Sprachmaterialien«, seit 1987 an der Universität Frankfurt a.M. unter Leitung von Prof. J. Gippert; darin u. a. Präsentation der tocharischen Texte der Turfansammlung) vorhanden. Die Texte werden mit dem leistungsfähigen Konkordanzprogramm WordCruncher verwaltet, das eine gezielte Abfrage nach Sprache erlaubt. Texte können in unterschiedlichen Weisen präsentiert werden: Transliteration und Transkription lassen sich nebeneinander abfragen, ebenfalls kann eine Abbildung des Originaltextes eingebunden werden. In TITUS enthalten sind auch mitteliranische Texte, die nicht aus Turfan stammen, bei der Arbeit an den Turfantexten jedoch herangezogen werden müssen (z. B. zoroastrisch-mittelpersisches und sogdisches Material sowie ein Archiv des Sakischen).

Ist es bis heute auch die Druckform, in welcher die mitteliranischen und uigurischen Texte als Publikationen vorliegen, so hat sich gleichwohl die Digitalisierung der Textarbeit von einer nur publikationsvorbereitenden Funktion emanzipiert, eine Arbeit, die mit dem Internet deutlich in die Öffentlichkeit tritt. Dies wird begleitet von einer Digitalisierung der Fragmente selbst (s. Digitales Turfan-Archiv) mit dem längerfristigen Ziel, anhand eines digitalen Katalogs sowohl Fragment als auch Text virtuell erfassen und abrufen zu können.
[TITUS siehe: http://titus.fkidg1.uni-frankfurt.de/texte/tocharic/tht.htm]

 

Collegium Turfanicum


In unregelmäßigen Abständen treffen sich Mitarbeiter der Arbeitsstelle und andere interessierte Wissenschaftler, um dem Vortrag eines eingeladenen Gastes zu folgen oder Probleme eigener Forschungsarbeit vorzutragen. Die Themen sind auf der Homepage des Akademienvorhabens einzusehen. An den Berliner »Asien- und Pazifik-Wochen« beteiligen wir uns regelmäßig mit einer speziellen Veranstaltung. Seit 1999 erscheinen diese Vorträge unter der Rubrik »Collegium Turfanicum« in den »Berichten und Abhandlungen der BBAW«:

K. Kudara: Silk Road and its culture – The view of a Japanese scholar – (Vortrag im Rahmen der Ostasien- und Pazifikwochen der Stadt Berlin am 18. September 1997). In: BBAW Berichte und Abhandlungen Bd. 6, Berlin 1999, 331–347.

T. Moriyasu: The West Uighur Kingdom and Tunhuang around the 10th–11th centuries (Lecture at the BBAW on the 10 May 1999). In: BBAW Berichte und Abhandlungen Bd. 8, Berlin 2000, 337–368.

Y. Yoshida: In search of the traces of Sogdians. »Phoenicians of the Silk Road« (Lecture at the BBAW an October 5th 1999). In: BBAW Berichte und Abhandlungen Bd. 9, Berlin 2002.

Rong Xinjiang:  New Light on Sogdian Colonies along the Silk Road: Recent Archaeological Finds in Northern China (Vortrag am 20. September 2001, im Rahmen der Asien- und Pazifikwochen der Stadt Berlin 2001). In: BBAW Berichte und Abhandlungen Bd. 10, Berlin 2006, 147-160.

 

 


Anhang:
Publikationsliste als PDF

 

 

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Prof. Dr.
Abdurishid Yakup

Arbeitsstellenleiter

Telefon: +49 (0)30 20370 472


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